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Unerhörte Stimmen

Ronja von Rönne:
Ende in Sicht
  

…Von all den guten Gründen zu sterben, und von all den viel besseren, am Leben zu bleiben…


In Rönnes Roman geht es, der Titel verrät es bereits, um den Tod. Neben zwei Protagonistinnen, die sich auf ihren Wegen in den Suizid begegnen, hat die Schriftstellerin eine dritte Hauptfigur gewählt, die sie selbst sehr gut kennt: die Depression. Wie ein Kofferraum voller Steine macht sie das Fortkommen schwer und bringt die Frauen bei Vollgas ins Schlingern.
Für die 15-jährige Juli ergibt das Leben wenig Sinn. Ihr Vater schuftet Tag für Tag in einer Druckerei, ihre Mutter verschwand bereits vor vielen Jahren. Für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ist das Mädchen unsichtbar, Freunde hat es nicht. In den Pausen isst Juli ihr Käsebrot auf der Schultoilette. Dort muss sie sich für ihre Einsamkeit wenigstens nur vor sich selbst schämen. Eines Tages beschließt sie, dass es so nicht weitergehen kann.

 

 

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Ronja von Rönne

 

Aus: DER SPIEGEL 2/2022

 


 

 

Hunger

Christine Brand
Der Bruder

Irena Jundts Vater ist tot. Um das Elternhaus zu räumen, muss die Rechtsmedizinerin der Berner Kripo zurück in das abgelegene Bergdorf ihrer Kindheit. Eine Kindheit, die mit dem Verschwinden ihres Bruders abrupt endete. Damals wurde ein brutaler Kindermörder für Benis Tod verurteilt. Doch bei ihrer Rückkehr erkennt Irena, dass irgendetwas an der Geschichte nicht stimmt, und die Dorfbewohner etwas verbergen. Wenig später wird in Bern ein kleiner Junge vermisst gemeldet - Sandro Bandini, Chef der Abteilung Leib und Leben bei der Berner Polizei, beginnt mit Hochdruck zu ermitteln und auch seine Freundin, Journalistin Milla, versucht mit gewohnt unkonventionellen Mitteln die Spur des Kindes zu verfolgen. Noch ahnt niemand, welche Kreise der Fall ziehen wird - und dass die Vergangenheit noch immer dunkle Schatten in die Gegenwart wirft ...

 

Über Christine Brand

«Mir wurde eine morbide Ader in die Wiege gelegt», sagt Christine Brand. «In meiner Kindheit war ich vom Tod umgeben.» Das will so gar nicht zu dieser 48-jährigen Frau passen. Sie wirkt sehr lebendig. Auffallend klare blaue Augen. Sie lacht viel.

 

Umgeben vom Tod

Doch der Schein trügt: Christine Brand wächst in der Emmentaler Gemeinde Oberburg hinter Burgdorf auf. Inmitten einer illustren Nachbarschaft. Auf der einen Seite steht das Haus des Metzgers: «Ich bekam es immer mit, wenn die Tiere geschlachtet wurden», erinnert sich die Autorin.

Auf der anderen Seite lebt ein Jäger. «Wenn ich abends nach Hause kam, sah ich die blutigen Kadaver der geschossenen Rehe hängen.» Aber damit nicht genug: Ihr Vater ist Bestatter. «Es war in meiner Kindheit normal, dass dauernd Leute starben, auch junge.»

 

«Ich ging bewusster durchs Leben.» Ihr kriminalistisches Erweckungserlebnis hat sie als Jugendliche – mit dem Mord in Kehrsatz 1985, einem der aufsehenerregendsten Fälle der Schweizer Strafjustiz.

 

Eine junge Frau wird ermordet und in der Tiefkühltruhe ihres Hauses deponiert. «Der Fall hat in mir eine Faszination für Gewaltverbrechen geweckt, die nie mehr erloschen ist», sagt Christine Brand. Und sie macht die Faszination zum Beruf: Sie wird Gerichtsreporterin. Sie wohnt zahllosen Prozessen bei und berichtet darüber.

Immer habe sie «die Geschichten hinter dem Menschen verstehen wollen, die diesen zum Verbrecher werden liessen». Auch der schlimmste Gewaltverbrecher sei «kein Monster», sondern «ein Mensch mit einer Geschichte».

Christine Brand versteht es trefflich, die Fälle in Sprache zu fassen: geschickte Dramaturgie, nüchterne Ausdrucksweise. Boulevardeske Zuspitzungen sind ihr fremd. Ihr Schreibtalent beweist sie auch in ihren Romanen, die sie parallel zur Arbeit als Journalistin zu schreiben beginnt. Fiktive Fälle, aber auch reale Verbrechen, True Crimes.

 

2016 hängt sie den Job als Journalistin an den Nagel. Sie will sich ganz dem Schreiben von Büchern widmen. Derzeit schreibt sich auch für SRF. Und sie reist viel. Einen guten Teil des Jahres verbringt sie auf Sansibar.

Text:SR

 


 

Reprise:

 

Unter dieser Rubriklesen wir bedeutende, fast vergessene Werke, welche noch heute aktuell und spannend sind.

 

 

Hunger

Johann Wolfgang Goethe:
Die Wahlverwandtschaften

 

Eduard und Charlotte, die bereits in ihrer Jugend ineinander verliebt waren, genießen nun in reiferen Jahren ihren gemeinsamen Ehestand auf einem malerischen Landgut. Auf beider Einladung hin gesellen sich nach einiger Zeit der Hauptmann, ein unverschuldet in Not geratener Jugendfreund Eduards, und Charlottes Nichte Ottilie hinzu. Und nun beginnt das Spiel der wahlverwandten Anziehungskräfte: Gleich chemischen Elementen fühlen sich Eduard und Ottilie, der Hauptmann und Charlotte zueinander hingezogen. Der gedankliche Ehebruch wird deutlich in dem Kind des Paares, das unübersehbar die Züge der beiden Fremden trägt. Während aber der Hauptmann und Charlotte letztlich den sittlichen Geboten gehorchen und entsagen, ist die die Leidenschaft von Eduard und Ottilie todbringend.

 

Die Geschichte einer tragischen Verwicklung, zwischen einem glücklichen Ehepaar, einem guten Freund und einer Nichte »ist das undurchdringlichste und vielleicht vieldeutigste Buch, das Goethe geschrieben hat«. Erich Trunz

 

 

Hunger

Johann Wolfgang Goethe:
Die Leiden des jungen Werther

 

Nonkonformismus als Rebellion der Gefühle -diese Botschaft des berühmten Romans, der innerhalb der deutschen Literatur den Beginn der modernen Prosa markiert, ist heute so aktuell wie vor 200 Jahren. Der unüberbrückbare Zwiespalt zwischen Geist und Natur, zwischen Ich und Gesellschaft, den der sensible Bürgersohn Werther empfindet und an dem er zerbricht, gibt diesem Werk die Würde einer Tragödie.
Goethe selbst hat die bündigste Inhaltsangabe zu seinem »Werther« gegeben: »Eine Geschichte ..., darin ich einen jungen Menschen darstelle, der, mit einer tiefen reinen Empfindung und wahrer Penetration begabt, sich in schwärmende Träume verliert, sich durch Spekulation untergräbt, bis er zuletzt durch dazutretende unglückliche Leidenschaften, besonders eine endlose Liebe zerrüttet, sich eine Kugel vor den Kopf schiesst.«